«Ich untersuche nicht, ich fühle nur.»
Johann Wolfgang von Goethe, Iphigenie auf Tauris

Auf welche Weise spiegeln sich Rationalität und Emotionalität in der Kunst wider? Seit der Renaissance steht in der Malerei die Formgebung allein mittels Farbe für den Ausdruck der emotionalen Verfassung des Künstlers während des Malaktes. Diese Art der Malerei unterscheidet sich von jener Malerei, der nicht nur Skizzen und Studien, sondern auch exakte Vorzeichnungen vorangegangen sind.

Schon der italienische Architekt und Künstlerbiograf Giorgio Vasari schrieb im Jahre 1568 über ein Gemälde seines Zeitgenossen Jacopo Tintoretto: «Er malte nach Laune und ohne Zeichnung, fast als wolle er sagen, die Kunst sei ein Scherz, (...) so dass man Pinselstriche vor sich sieht, die mehr durch Zufall und Kühnheit, als nach Zeichnung und Absicht gezogen sind.» An dieser Leseart, dass eine gestische Malerei Ausdruck des Befindens des Künstlers ist, hat sich bis heute wenig verändert: Jedoch rückte im 20. Jahrhundert der künstlerische Herstellungsprozess als expressiver Schaffensakt zunehmend in den Vordergrund, er ist in das Werk eingeschrieben, er wird zum «Motiv» und bleibt beim Betrachten präsent.

Genauso vermag aber auch das Rationale vermittels eines neuen Kunstbegriffes zum Gegenstand des Werkes selber werden. Die Komposition verdankt sich nicht mehr der Genialität des Künstlers, sondern kann mathematischen Regeln, strukturellen Vorgaben, konzeptuellen Ansätzen etc. zugrunde liegen: Mit der Neuausrichtung der Künste und einer völlig neuartigen Auffassung von Kunst, gerade seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, wurde der Beitrag eines rationalen Prozesses, der Verstandesebene, bedeutsamer.

Neben dem Künstler stand jedoch seit jeher auch der Betrachter im Mittelpunkt: insofern, ob er durch eine Darstellung emotional besonders berührt wurde. Zusätzlich zum Bildmotiv, so es vorhanden ist, sind es vor allem neue Gestaltungsmittel wie Licht, haptisch erfahrbare Oberflächen oder etwa akustische Elemente, die eine spezifische Atmosphäre für ihn schaffen.

Die Sammlungspräsentation rational – emotional geht dieser – offenbar entgegengesetzten – Auffassung von Rationalität und Emotionalität nach. Der Betrachter durchläuft einen Parcours, in dem rein durch gestische Eingriffe geformte Werke konzeptuellen Ansätzen, sinnlich Erfahrbares konstruierten Kompositionen gegenübergestellt werden.

Weitere Bilder zu dieser Ausstellung

  • rational – emotional
    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Stefan Altenburger © Kunstmuseum Liechtenstein
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    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Stefan Altenburger © Kunstmuseum Liechtenstein
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    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Stefan Altenburger © Kunstmuseum Liechtenstein
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    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Stefan Altenburger © Kunstmuseum Liechtenstein
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    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Stefan Altenburger © Kunstmuseum Liechtenstein