Die Arbeiten des französischen Konzeptkünstlers Saâdane Afif sind wie ein eigenes System, das sich durch Übertragung und Übersetzung seiner Inhalte über einen längeren Zeitraum immer wieder neu konstituiert. Das den Arbeiten zugrunde liegende Konzept durchläuft eine Metamorphose, die sich in Performances, Schriftbildern und Skulpturen vollzieht. Variationen einer Arbeit entstehen unter anderem durch die Interpretation eingeladener Kollaborateure in Musikstücken, Gedichten und Performances. So existieren die Arbeiten Afifs in verschiedenen Formen.
Die Arbeiten der Rauminstallation Technical Specifications, Room 2 waren Teil der gleichnamigen Ausstellung 2008 im Witte de With – Center in Rotterdam. Ausgangspunkt waren die Werkangaben seiner früheren Arbeiten, die Afif als «Bauanleitung» nutzte, um mit genau denselben technischen Informationen andersartige Arbeiten zu produzieren. Die mehrteilige, raumgreifende Installation zeigt neben den Bildlabels der früheren Werke die nun neu produzierten und verflicht damit seine Arbeiten in ein komplexes und zugleich offenes System.
Die im Raum freistehende dreiteilige Installation Untitled (This is the Way You & I Measure the World, 2004) besteht aus 3 Perspex-Plexiglasscheiben, deren Materialität den Raum in changierenden Farben widerspiegelt. Durch den einfachen Akt des Zusammenschnürens erschafft Afif eine konkave Skulptur, die durch die von einem Motor angetriebene Drehung sowohl den Betrachter als auch die benachbarten Kunstwerke in stets neuer optischer Verzerrung erscheinen lässt.
Das aus Holz bestehende Polyeder der Arbeit Untitled (Blue Time, 2004) erinnert an eine Trommel, aus der selbst Töne erklingen, die durch einen Uhrenmotor im Inneren des Objekts erzeugt werden. Das Mikrofon und der Gitarrenverstärker steigern den Sound nochmals nach aussen. Zeit, ein immer wiederkehrendes Motiv in Afifs Arbeiten, wird hier ins Bewusstsein gerufen. Untitled (More, More, 2003) ist ein Neonzeichen mit dem Motiv des Ankers. Davor liegen Stapel mit Fotokopien eines Tattoos mitsamt eines Gedichts, in dem sein Träger die Gründe für dieses beschreibt. So liegt das Motiv des Tattoos in drei unterschiedlichen Formen vor: als Leuchtinstallation, Gedicht und Fotokopie. Texte bilden einen wichtigen Bestandteil der Arbeiten Afifs. So befinden sich an den Wänden des Raums zudem drei Texte, die jeweils zu einer der drei Installationen gehören. Die Wandtexte mit Gedichten oder Liedtexten werden von befreundeten Künstlern, Kritikern und Freunden aus seinem Umkreis geschrieben. Sie sind von Afif beauftragt worden, ihre eigene Interpretationen der Arbeit als lyrische Texte zu verfassen.
Afifs komplexe Werke erzeugen eine Stimmung, in der die zuvor geschehenen Ereignisse spürbar und doch abwesend sind. Das Ticken der Zeit, die Reflektion im Widerschein der irisierenden und drehenden Displays ruft Erinnerungen an das klassische Motiv der Melancholia wach.
