Das Ausstellungsprojekt Ozean fusst auf der Entwicklung ihres Oeuvres seit Mitte der 1990er-Jahre. Sein zentraler Gedanke ist die Veranschaulichung eines jenseits von Körperlichkeit und Messbarkeit liegenden Raumes, eines Raumes der Geistigkeit und des Sinnlichen.

Leiko Ikemura, 1951 in Japan geboren, lebt seit fast dreissig Jahren in Europa. Ihre künstlerische Tätigkeit ist von der Auseinandersetzung mit den beiden Kulturräumen Japan und Europa geprägt. Die seit 1984 in Köln lebende und seit 1991 als Professorin an der Hochschule der Bildenden Künste in Berlin lehrende Ikemura erlebt den Zusammenprall dieser Kulturräume sehr bewusst und setzt sich ihm gezielt aus. Dabei behandelt sie in ihren Gemälden, Zeichnungen und Plastiken stets zentrale Fragen der menschlichen Existenz. «Ich versuche das Anderssein mehr zu verinnerlichen. Das Anderssein, ich weiss nicht, was genau das ist. Wahrscheinlich ist es das Kindsein, Fremdsein, Alleinsein, aber auch Eigenwilligsein, ein gewisses Freisein. All das, was tief in uns sitzt. Nein, ich möchte nicht alles benennen, denn was man benennt, verliert seine Unschuld», formuliert sie diesen Konflikt, aus dem sie einen Teil ihrer künstlerischen Kreativität zieht.

War in den 1980er-Jahren die Auseinandersetzung mit allegorischen Bilderzählungen vorherrschend, so wandte sich Ikemuras Interesse um 1990 kosmologischen Fragestellungen zu, die sich in Transzendenz und Aspekten des Religiösen äussern. Anstoss dazu gab ein mehrmonatiger Aufenthalt in den Hochalpen Graubündens. Seit dieser Zeit entstehen sehr atmosphärische Werke, die stark aus der Farbe heraus leben. Sie erzählen kaum noch Geschichten sondern stellen atmosphärische Situationen von Körpern im Raum dar. Dieser Raum ist tief und angefüllt mit Farbe, und er ist von mädchenhaften Wesen bevölkert, deren Konturen ebenfalls unscharf sind. Bisweilen sind diese Wesen in Begleitung von Tieren, meist Katzen oder Vögeln. Auch die Plastiken stellen diese Wesen vor, in verhaltener Körperhaltung, manchmal wie in den Gemälden als Doppelwesen oder mit Tieren.

Die Ausstellung im Kunstmuseum Liechtenstein ist ein Projekt, für das spezielle neue Werke entstanden sind. Ihr zentraler Gedanke ist die Veranschaulichung eines jenseits von Körperlichkeit und Messbarkeit liegenden Raumes, eines Raumes der Geistigkeit und des Sinnlichen. Dabei spielt das Motiv des Horizontes eine grosse Rolle: «Dieses Nie-Zusammenkommen von Himmel und Erde, dieses ewige Annähern zweier Elemente. Der Horizont ist zwar wie eine Linie zu sehen, aber es gibt sie nicht. Gleichzeitig vermittelt sie unsere Verbindung zur Erde und die Sehnsucht nach Unendlichkeit.» (Leiko Ikemura).

Die Weite des Ozeans und die Reinheit seines Horizontes verkörpern dieses Gefühl beispielhaft. Es ist ein kosmisches Weltgefühl, das Gefühl des Aufgehobenseins in das grosse Ganze, das sich in den zahlreichen Gemälden, Aquarellen und Plastiken artikuliert, die für diese Ausstellung entstanden sind. Dabei ergänzen sich die einzelnen Ausdrucksmedien zu einer starken räumlichen Wirkung auf die Betrachterin und den Betrachter. Sie werden einbezogen in ein Geschehen, das sich nicht mehr in eine einzelne Kulturform einordnen lässt. Vielmehr spricht hier die Kunst einer aus dem Konflikt zweier Kulturräume gewachsenen Erkenntnis um die gemeinsamen Grundlagen menschlicher Existenz, die nur in ihrem fliessenden Charakter, in ihrer Nicht-Fassbarkeit erkannt werden können.

Weitere Bilder zu dieser Ausstellung

  • Leiko Ikemura
    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Markus Tretter © Kunstmuseum Liechtenstein
  • Leiko Ikemura
    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Markus Tretter © Kunstmuseum Liechtenstein
  • Leiko Ikemura
    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Markus Tretter © Kunstmuseum Liechtenstein
  • Leiko Ikemura
    Ausstellungsansicht Kunstmuseum Liechtenstein, Foto: Markus Tretter © Kunstmuseum Liechtenstein
  • Vernissage
  • Fr, 8.3.2002
    18.00
  • Fr 8.3.

    Vernissage

    Leiko Ikemura
  • Do 18.4.

    Vortrag

    Leiko Ikemura. Ozean. Ein Projekt
    von Leiko Ikemura