Kunstwerk des Monats Mai

Nina Canell, Interiors (Near Here), 2013

Nina Canell

* 1979 in Växjö, Schweden


Interiors (Near Here), 2013


Plexiglas, Steckdose, Kabel, Kunstpelz
120,2 x 25,2 x 200 cm

Die Arbeit Interiors (Near Here) besteht aus einem rechteckigen Plexiglaskörper, der trotz der Transparenz in seiner Dimension ein körperliches Gegenüber darstellt. In seinem Inneren befinden sich Fasern aus braunem Kunstpelz. Die elektrostatische Aufladung, die durch Reibung und Trennung der ungleichen Materialien – Behältnis und Inhalt – entsteht, lässt die Kunstfasern ähnlich einer malerischen Geste an den Oberflächen der Innenwände anhaften. Durch diesen Vorgang wohnt dem Kunstwerk ein prozesshaftes Prinzip inne, das ein unbestimmtes, nicht vorhersehbares Werkergebnis impliziert. In der rechten unteren Ecke des Körpers ist eine handelsübliche Steckdose angebracht, die im klassischen Sinne als elektrischer Steckverbinder zwischen Leitungen dient und den Innenraum des Werks mit dem Aussenraum verbindet. So lässt sich die Steckdose hier als Allegorie für Energieversorgung lesen – einer Energie, die im System der Kunst erzeugt wird und zwar durch das Aufeinanderstossen, den «physischen Kontakt» differenter Materie.

Nina Canells Werk ruft aufgrund der «Einfachheit» des Materials und durch die Nutzung und Wandlung naturgesetzlicher Prinzipien eine vulnerable, von Schönheit durchdrungene Metaphorik hervor: «Ich mag die Haptik und das gespeicherte Wissen, das darin steckt. Es sind eben Dinge, über die wir Bescheid wissen. Wofür sie gut sind, wie sie sich anfühlen, wie schwer sie sind. Es ist nichts Geheimnisvolles in den Materialien selbst und das öffnet wiederum die Sinne für ihre symbolischen Fähigkeiten.»

In seinem ephemeren Charakter befragt Interiors (Near Here) die Spannungsfelder von Innen und Aussen, von Stabilität und Übergang, von Anziehung und Abstossung. Mit wenigen Materialen macht die Künstlerin das Potential eines statisch elektrischen Kraftfeldes auf poetische Weise «materiell». So ist Skulptur hier, in dem Sinne, in dem der Plexiglaskörper als begrenzende Form und zugleich als bedingende Materie für den unsichtbaren Energiefluss fungiert, als ein dynamisches Verhältnis von fester Form und immaterieller Zirkularität zu betrachten.

Denise Rigaud

<b>Nina Canell, Interiors (Near Here), 2013</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.