Kunstwerk des Monats August

Anne Marie Jehle, erfolgreich, n.d.

Anne Marie Jehle

* 1937 in Feldkirch, † 2000 in Vaduz


erfolgreich, n.d.


Ensemble: Wolle, Draht, Webschiffchen, Einkaufszettel, Collage, Vitrine mit Brötchen, Couch

180 x 220 cm (Dimensionen variabel)

Das Ensemble erfolgreich ruft in seiner Anordnung eine private Wohnzimmersituation in unser Bewusstsein. Jedoch bricht Anne Marie Jehle mit ihren provokant irritierenden Eingriffen diese «idyllische» Komposition. Mittels einer «Strickliesel» – ein bereits durch seine Namensgebung weiblich konnotierter Gegenstand – fertigt die Künstlerin eine rot-orange Strickschnur, die in ihrer formalen Applikation an der Wand das titelgebende Adjektiv erfolgreich entziffern lässt. Ein Wort, welches weniger im privaten Kontext als vielmehr im öffentlichen Erwerbsleben seine Verwendung ndet, und demnach insbesondere noch zur Entstehungszeit der Arbeit1 dem Männlichen zugeordnet war. Wer ist hier erfolgreich? Wie ist Erfolg definiert und was braucht es, um als Frau etwa im Kunstsystem der 1970er-Jahre erfolgreich zu sein? Lassen sich tradierte geschlechterspezi sche Narrative transformieren und auf welche Weise spielen Sprache, Bildwelten und gesellschaftliche Normen hier eine Rolle?

Neben der roten «Strickarbeit» ist, einem Ausrufungszeichen gleich, ein Webschiffchen angebracht, das Jehle mit einem handschriftlich verfassten Einkaufszettel ähnlich einer Schleife verziert. Die an der Wand befestigte Glasvitrine ist zu einem Drittel mit weissen Brötchen gefüllt, welche bei genauer Betrachtung eine phallische Form aufweisen. Rechts daneben hängt eine Collage. Sie zeigt ein Ansichtskartenmotiv von Jehles Heimatort Feldkirch, das die Künstlerin mit Schere, Acrylfarbe und einem Zeitungsausschnitt der Freiheitsstatue bearbeitet hat. Die Sitzcouch im Vordergrund hat AM Jehle2 als Ganzes mit gehäkelter Wolle in Patchwork-Technik ummantelt. Umhüllen und verdecken, verzieren und verstecken sind wesentliche Elemente in Jehles Arbeit, um dem Unterdrückten, Nicht–Ausgesprochenen metaphorisch Ausdruck zu verleihen.

Jehle befragt in ihrem Werk tradierte Rollenbilder ihrer Zeit, insbesondere im Kontext der «geschützten» Privatsphäre. Sie untersucht Macht inhärente, geschlechterspezi sche Repressionen, scheut sich dabei nicht, auf gesellschaftliche Tabus zu verweisen und setzt sich auf humorvolle, aber auch drängende, nahezu existentielle Weise mit (weiblicher) Identität auseinander.

Denise Rigaud

<b>Anne Marie Jehle, erfolgreich, n.d. </b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.