Kunstwerk des Monats November

Matts Leiderstam, He & She, 2000

Matts Leiderstam

* 1956 in Göteborg, Schweden


He & She, 2000


Cibachrome, 2-teilig

je 140 x 106 x 4 cm

 

Dieses Werk Matts Leiderstams besteht aus zwei Fotografien von alten Gemälden, die miteinander gezeigt werden. Auf einer Staffelei sehen wir jeweils ein ungerahmtes Gemälde, das das Porträt einer Person zeigt: links einen Mann, rechts eine Frau. Es handelt sich bei diesen Gemälden um Werke des finnischen Malers Isak Wacklin (1720–1758), die Samuel Wacklin, den Bruder des Künstlers, einen Vikar, und dessen Frau Elisabeth zeigen. Beide Gemälde sind 1755 entstanden. Derartige Doppelporträts von Ehepaaren wurden im Laufe des 18. Jahrhunderts in den führenden bürgerlichen Gesellschaftsschichten beliebt, der Bildtypus war jedoch bereits seit der Renaissance an den Höfen der Herrscher üblich. Auch der Vikar und seine Gattin stammten offensichtlich aus der «besseren» Gesellschaft, worauf insbesondere das aufwändige Kleid der Frau verweist, während der Mann in seiner «Berufskleidung», dem Talar, gezeigt wird.

Widmet man sich dem Studium der Gesichtszüge, so sticht deren frappante Ähnlichkeit ins Auge. Würde man nur die Gesichter selbst sehen, würde es schwerfallen, den Unterschied zwischen Mann und Frau auszumachen, und die Frage stellt sich, ob die beiden Porträtierten miteinander verwandt waren. Oder war es etwa so, dass der Maler sein eigenes Gesicht als Grundlage für diese Porträts genommen hat? Unabhängig von allen psychologischen Aspekten dieser Frage und ihrer Beantwortung werden wir hier deutlich darauf verwiesen, dass ein gemaltes Porträt immer ein Konstrukt ist. Bereits in der Antike gab es bei der Darstellung des menschlichen Körpers und des Gesichts einen Kanon an Persönlichkeitsmerkmalen, die in der Darstellung ihren Niederschlag fanden: das ausgeprägte Kinn als Merkmal von Durchsetzungsfähigkeit, die gekrümmte Nase als Ausdruck von Mut und Entscheidungsfreude usw. Es könnte also sein, dass die äussere Ähnlichkeit dieser beiden Personen nicht der visuellen Realität entsprochen hat, sondern der Maler damit eine innere Ähnlichkeit der Personen zum Ausdruck bringen wollte. Damit würden diese Porträts unserem heutigen Begriff davon diametral entgegenlaufen.

Friedemann Malsch

<b>Matts Leiderstam, He & She, 2000</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.