Kunstwerk des Monats Februar

Marcel Odenbach, Herdentrieb, 1999

Marcel Odenbach

* 1953 in Köln


 Herdentrieb, 1999


Zweikanalprojektion, Farbe, Ton; 8 min.
Dimensionen variabel

Das Gewaltpotential der Massen, ihre ästhetische Beschaffenheit und Wirkung sind Themen, die Marcel Odenbach in seinem videokünstlerischen, aber auch zeichnerischen Werk immer wieder aufgreift. Für seine Videoinstallation «Herdentrieb oder als hätte man sich abgesprochen» filmte er den traditionsreichen Alpabtrieb in Liechtenstein. An beiden Seiten des Tunnels, der Steg und Triesenberg verbindet, befand sich eine Kamera, deren Bilder im Ausstellungsraum auf die Vorder- und Rückseite einer frei im Raum stehenden Wand projiziert werden. Die mit Blumen reich geschmückten Kühe werden auf ihrem Weg ins Tal immer wieder zusammengetrieben. Laut hallen die Kuhglocken. Kommentiert werden die Bilder von Überblendungen mit historischem Filmmaterial, ein Stilmittel, das Odenbach schon früh einsetzte und das ihn in den 1970er Jahren zu einem Pionier der Videokunst machte. Auf der Tunneleingansseite sind es Aufnahmen von gleichförmigen Massenaufmärschen der NS-Zeit, DDR Paraden und Bilder politischer Unruhen. Diese kurzen Filmsequenzen dauern an, bis die Vieherde den Tunnel erreicht und die Kamera nun den Tunneleingang fokussiert. Am Tunnelausgang wartet die zweite Kamera auf die Ankunft der Herde. Mit dem Erscheinen der Kühe verlässt die Kamera ihren festen Standort, und es beginnen auch hier Überblendungen: Aufnahmen des Christopher Street Day, Fussballstadien mit Fantribünen und Neo-Nazi-Versammlungen. Im Sog der grossflächigen Projektion der Nahaufnahmen, umgeben vom Lärm der Glocken, wird der Betrachter selbst Teil der Arbeit, findet sich selbst inmitten der Herde. Inwieweit das Individuum in einer Menge aufgeht und ab wann diese zu einer bedrohlichen Masse wird, ist eine zentrale Frage dieser Videoinstallation, die mithilfe der assoziativ eingesetzten Bilder gestellt wird.

<b>Marcel Odenbach, Herdentrieb, 1999</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.