Kunstwerk des Monats Juni

Giuseppe Penone, Soffio di foglie, 1982

Giuseppe Penone

* 1947 in Garessio in der Provinz Cuneo, Piemont (IT) lebt in Turin (IT)


Soffio di foglie, 1982


Bronze, Holz

410 x 300 x 180 cm

Das Kunstwerk Soffio di foglie (Atemhauch der Blätter) zeigt sechs dünne Bäume in ihrer natürlichen Wachstumsentwicklung. Aufrecht nebeneinander stehend durchdringen diese ein plastisches Volumen aus Bronze. Doch wie entstand dieses in der Mitte eine grosse Mulde bildende Bronzestück, welches dem Betrachter auf Kopfhöhe begegnet? Es ist der Atem des Künstlers, den dieser in einen Haufen abgefallener Blätter blies: «(...) dabei ging es (...) um das Sichtbarmachen von Volumen und Gewicht. Durch das Atmen in die Blätter sind die Blätter zur Seite geblasen worden. So bekam ich eine analoge Form meines Atems.» Den Akt in Bronze gegossen, zeichnet der schwere metallische Werkstoff das unsichtbare Volumen des Atemhauchs plastisch nach und macht auf diese Weise die kraftvolle Lebensenergie des Künstlers erfahrbar. Eine Energie, die in das Innere unseres Körpers aufgenommen wird, diesen durchflutet, ausfüllt, am Leben erhält und schliesslich wieder ausgestossen wird – ein unsichtbarer Prozess, ein steter Austausch mit der Welt. Giuseppe Penone, der als Vertreter der Arte Povera gilt, beschreibt in seinen Prosastücken zur Werkreihe Soffio die Relevanz des Atems auf folgende Weise: «Atem ist die automatische, unwillkürliche Skulptur, die uns der Osmose mit den Dingen am nächsten bringt. Es ist der Vorgang, der die Hülle, die Identität der Haut, aufhebt.»

Durch den Titel Soffio di foglie, mit dem der Künstler die menschliche Atmung mit der pflanzlichen in Verbindung setzt, hebt Penone die wechselseitige Beziehung zwischen Mensch und Natur, die sich z. B. auch im griechischen Wort pneuma – Hauch, Wind, aber auch Geist – wiederfindet, auf poetische Weise hervor. Zudem lässt sich in Soffio di foglie die Bedeutung der Energie in Natur und Kultur entdecken. Auf skulpturale Weise verwebt Penone die natürliche Energie, die in Wachstumsprozessen oder im Atem zu finden ist, mit der geistigen Energie, die Voraussetzung aller kulturellen Aktivität ist. Letztere kommt etwa in der Herstellung und Verarbeitung von Bronze als kulturell erlernte Tätigkeit oder im kreativen Akt der Erschaffung eines Kunstwerkes selbst zum Ausdruck.

Denise Rigaud

<b>Giuseppe Penone, Soffio di foglie, 1982</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.