Kunstwerk des Monats Januar

Lyonel Feininger, Der Raddampfer I, 1913, Hilti Art Foundation

Lyonel Feininger

* 1871 in New York, † 1956 in New York, USA


Der Raddampfer I, 1913


Öl auf Leinwand

80 x 100 cm

Hilti Art Foundation

 

Anfänglich Karikaturist und Illustrator, fand Lyonel Feininger erst ab 1907 zur Malerei. Auch nachfolgend steht zunächst die menschliche Figur im Vordergrund, oft grotesk überlängt und «verzeichnet». Doch bald schon wird der Einfluss des Kubismus und des Orphismus in seinen Gemälden spürbar, die Kenntnis der Werke Picassos und Delaunays, die ihn eine neue Bildsprache finden lässt, eine Art kristallinen Farbkubismus. Zur Marinemalerei verspürte schon der junge Feininger eine Affinität, die wohl nicht zuletzt aus einer Schiffsreise von New York nach Hamburg resultierte.

Mit Schaufelrad und Segel arbeitet sich der Raddampfer gegen die Wellen des wild bewegten Meeres voran. Rauch entsteigt dem Schornstein und verflüchtigt sich in den Turbulenzen der Luft. Ein zweites Schiff erscheint am Horizont, mit eingeholten Segeln Kurs gegen den Wind nehmend. Alles ist in Bewegung, die in Aufruhr versetzten Elemente bieten dem Auge keinen Halt. Das Widerspiel von Natur und Technik verbindet Feininger im Raddampfer mit kubistischen Stilmitteln, die er 1913 in Bezug auf das eigene Werk als «Prisma-ismus» bezeichnete. Die Gegenstände sind facettenartig zergliedert und ergeben eine kristalline, von scharfkantigen Flächen geprägte Bildstruktur. Das Interesse der Kubisten galt vorrangig der Form, nicht der Farbe. Dieser Entsinnlichung der Malerei wirkten die Orphisten entgegen, insbesondere Villon, Delaunay und Kupka, die sich zwar der kubistischen Bildstruktur verpflichtet fühlten, sie jedoch durch helle, prismatische Farben belebten. Auch Feininger hatte stets ein starkes Interesse an der Farbe, die sein eigentliches Medium werden sollte, und war daher für die nahezu romantisch gestimmten Ideen des Orphismus sehr empfänglich.

Gegen die Grün- und Graupalette von Meer und Himmel setzen sich kräftig die bunten Farben des Raddampfers ab. Dunkel ist der Rumpf des Schiffes, doch Reling, Schaufelrad, Segel, Schornstein, Rauchfahne und Flagge erscheinen in auffälligem Gelb, Grün, Ocker, Orange und Violettrot. Trocken und rau hat Lyonel Feininger die Farben auf die grobfaserige Leinwand gesetzt, die hier und da weisslich zwischen den bemalten Flächen hervorschaut.

Uwe Wieczorek

<b>Lyonel Feininger, Der Raddampfer I, 1913, Hilti Art Foundation</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.