Kunstwerk des Monats Juni

Ketty La Rocca, in principio erat, 1971, Kienzle Art Foundation / Kunstmuseum Liechtenstein

Ketty La Rocca

* 1938 in La Spezia, † 1976 in Florenz, Italien


in principio erat, 1971


Fotografie auf Leinwand

78 x 35 cm

Kienzle Art Foundation / Kunstmuseum Liechtenstein

 

In der Arbeit in principio erat werden die Hände Ketty La Roccas zu Protagonisten, um Sprache in der Erscheinungsform der Geste näher zu erforschen. Im Bereich der Kommunikation stellen Hände ein bedeutsames Ausdrucksmittel dar. Diese können ausladend expressiv eingesetzt werden, vermitteln oder betonen, abwiegeln oder zusammenführen. Sie sind fähig Emotionen auszudrücken. Die auf Leinwand gedruckte S/W-Fotografie zeigt die Hände der Künstlerin vor einem schwarzen Hintergrund signifikant hervorgehoben. Sie sind ineinander gefaltet, losgelöst vom restlichen Körper und muten auf diese Weise nahezu objekthaft an. Darunter findet sich der Satz: decentrata allude forse come ipotesi per non coinvolgere [dezentrale Anspielungen vielleicht als Hypothese für Nicht-Miteinbeziehen]. In ihren Untersuchungen bedient sich die Künstlerin der Abstraktion und Reduktion: Sie löst den Ausdruck von Sprache konsequent von seiner inhaltlichen Verknüpfung, indem sie ihn in eine visuelle bzw. skulpturale Form überführt und sukzessive weiter abstrahiert.

La Roccas Werk ist von einem stark konzeptionellen Ansatz geprägt und drückt sich durch den Gebrauch verschiedenster Medien aus. So arbeitete sie mit Fotografie, Video und Fernsehen, schuf Zeichnungen, Collagen, Skulpturen, integrierte Schrift und Text in ihre Arbeit und nutzte auch Performances als künstlerische Darbietungsform. Zentrales Motiv ist hierbei Sprache und deren Realität konstituierender Einflussfaktor. In ihrem Verständnis ist Sprache nicht als neutraler, selbst zu gestaltender Informationsträger zu betrachten. Diese ist vielmehr ein vom "Anderen" in uns eindringendes, kulturelle Normen und Machtverhältnisse in sich tragendes Medium. Hieraus versucht Ketty La Rocca, Sprache auf unterschiedliche Weise in ihrer Struktur zu hinterfragen. Dabei markiert sie insbesondere die männliche Dominanz sprachlicher Erscheinungsformen und stellt sie in ihrer Arbeit zur Diskussion: «Frauen haben keine Zeit für Erklärungen, sie haben zu viel zu tun. Zudem müssten sie auf eine Sprache zurückgreifen, die nicht die ihre ist, auf eine Sprache, die ihnen nicht nur fremd, sondern auch feindlich gesinnt ist [...].»

Denise Rigaud

<b>Ketty La Rocca, in principio erat, 1971, Kienzle Art Foundation / Kunstmuseum Liechtenstein</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.