Kunstwerk des Monats März

Edith Dekyndt, Paradise Syndrome, 2014

Edith Dekyndt

1960 in Ypern, Belgien


Paradise Syndrome (Paradies-Syndrom), 2014


Video-Projektion, ohne Ton; 5 Bergungshüllen, überzogen mit Blattgold
Dimensionen variabel, 19' 27'', Loop
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

 

Zu sehen ist eine wandfüllende Projektion, vor der fünf Bergungshüllen liegen. Auf den ersten Blick ist nicht zu fassen, was die Projektion zeigt, denn die Wellenbewegungen des gefilmten Meeres verlaufen vertikal statt horizontal. Tritt man näher an die Bergungshüllen heran, die im Katastrophenschutz Verwendung finden, ist zu erkennen, dass sie für diese Arbeit mit Blattgold – gleich einem kostbaren Reliquiar – überzogen wurden.
In einer ersten Präsentation 2014 in einer Kölner Galerie waren zudem im Raum Herztöne zu hören, die Edith Dekyndt einer «Voyager Golden Record» von 1977 entnommen hat. Diese Töne wurden als Audio-Information für die Kommunikation mit ausserirdischem Leben ins Weltall gesandt und scheinen hier aus dem All zurückzuklingen.
Entstanden ist die Arbeit, nachdem im Oktober 2013 zwei Boote mit Flüchtenden aus Somalia, Eritrea und Libyen vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa unter dramatischen Umständen sanken. Hunderte von Menschen, darunter zahlreiche Kinder, ertranken. Die Insel ist bekannt für ihre traumhaften Strände sowie für ihre Fauna und Flora, jedoch aufgrund ihrer Lage als Anlaufhafen für in Seenot geratene Geflüchtete immer wieder in den Schlagzeilen. Dekyndt verwebt in dieser Installation Geschichten und schafft ein Sinnbild für die Ambivalenz von Gefühlen. Die Kuratorin Regina Barunke schreibt zum Begriff: «Paradise Syndrome umschreibt einen mentalen Zustand der Unzufriedenheit und Depression, der symptomatisch durch die Erfüllung aller Lebenswünsche auftreten mag. Die Bezeichnung geht ursprünglich von Menschen im Ruhestand aus, die ihren Wohnsitz an die Mittelmeerküste oder auf eine Urlaubsinsel verlagert haben und ihr Leben als einen immerwährenden Urlaub begreifen, ohne dies jedoch als Glück empfinden zu können.»

Christiane Meyer-Stoll

 

«Ihre Arbeitsweise greift unterschiedliche Hypothesen auf, die das Thema Leben und Tod ebenso berühren wie die heikle Balance zwischen Mensch und lebendiger Kreatur, die Geschichte der Kunst und den Ausstellungsraum.»

Kitty Scott

Kitty Scott, Edith's Laboratory, 1996, in: Ombre indigene – Edith Dekyndt, Brüssel, 2016, S. 176.

<b>Edith Dekyndt, Paradise Syndrome, 2014</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.