Kunstwerk des Monats April

Marcel Odenbach, Videoarbeit für einen Winterabend, 1994

Marcel Odenbach

1953 in Köln, Deutschland


Videoarbeit für einen Winterabend, 1994


Video, Ton
Dauer: 5' 3''
Ed.: 39/100
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

 

Marcel Odenbach arbeitet seit 1976 mit dem Medium Video und prägt die Videokunst als Pionier bis in die Gegenwart mit. Charakteristisch für sein Werk ist die Technik der Collage und der Montage, die er in verschiedenen Medien, von Papierarbeiten bis zum Film, anwendet.

Was tun an einem Winterabend? Es ist die Zeit der Stille und Dunkelheit. Eine Nahaufnahme zeigt einen gefüllten Aschenbecher und eine Hand, die stetig eine Zigarette hinführt. Über diese Szene legt Odenbach historisches Archivmaterial, das unter anderem die Pogromnacht von 1938 zeigt. Als einzige Tonebene ist das Knistern von Flammen zu hören. Der Ton verknüpft Vergangenes und Gegenwärtiges: Ist es das Feuer der Zerstörung von Gebäuden, Möbeln und Büchern oder ein behagliches Kaminfeuer? Unscharfe Bilder eskalierender Proteste, gewalttätiger Auseinandersetzungen und Explosionen sehen wir durch den Filter der rauchenden Person. Die zufällig wirkende Kameraeinstellung schafft bewusst Assoziationen an ein Home-Video, um eine Nähe zu erzeugen, die traditionelle Medienkanäle wie das Fernsehen oft nicht bieten. Wie die Person die eingeblendeten Bilder wahrnimmt und ob sie die Zigaretten nachdenklich oder völlig ungerührt raucht, bleibt offen. Es stellt sich jedoch die Frage, wie wir selbst Nachrichten und Medien konsumieren, über welche Kanäle und durch welche Filter.

Odenbachs Arbeit kann einerseits als Aufruf gelesen werden, die konkreten Ereignisse der Zeit des Nationalsozialismus und andere geschichtsträchtige Ereignisse nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, als auch die Präsenz von Antisemitismus und Rassismus in unserer Gesellschaft nicht zu leugnen. Sie kann andererseits die Ohnmacht, Betroffenheit oder Abgestumpftheit und Distanziertheit zum Ausdruck bringen, die Menschen angesichts von Kriegen und der Gewalt empfinden, die täglich in den Medien präsent sind.

Leslie Ospelt

 

«Es geht mir in meiner Arbeit darum, das Sehen zu verändern und den Bildern damit vielleicht auch ihre ursprüngliche Bedeutung wiederzugeben

Marcel Odenbach

Marcel Odenbach – Ach, wie gut, dass niemand weiss, hrsg. von Udo Kittelmann, Köln: König, 1999, S. 66f.

<b>Marcel Odenbach, Videoarbeit für einen Winterabend, 1994</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.