Kunstwerk des Monats Juli

Martina Morger, Cleaning Sappho, 2021

Martina Morger

1989 in Liechtenstein


Cleaning Sappho, 2021


4K-Video, Kamera und Schnitt: Lukas Zerbst
7:34 min
Kunstmuseum Liechtenstein, Vaduz

Das Video auf Vimeo

 

Die Videoarbeit Cleaning Sappho ist Teil der Performance-Serie Cleaning Her, in der Martina Morger von Frauen geschaffenen Kunstwerken im öffentlichen Raum durch einen Akt der Fürsorge Aufmerksamkeit verleiht.
Von der italienischen Bildhauerin Adelaide Maraini-Pandiani (1836–1917) Ende des 19. Jahrhunderts entworfen, stand die Sappho-Statue bis in die 1970er-Jahre im Kunstmuseum St. Gallen, bis Vandalen ihr die Nase abschlugen und sie in einen kleinen Park versetzt wurde. Vor diesem Hintergrund beginnt Morger, gekleidet in einen Arbeits-Overall, mit einem neongrünen Putzlappen und einem Eimer Wasser die Marmorskulptur zu reinigen. Die Rolle einer Pflegerin einnehmend, wringt sie den Lappen aus, tupft und wischt Füsse, Nacken und Gesicht sorgfältig ab. Für eine Restauration, die bewusst nicht angestrebt wird, wären jedoch andere Mittel erforderlich. Während der Reinigungsprozess abläuft, spielt sich eine weitere Interaktion mit dem Körper der Statue auf einer unterschwelligen Ebene ab. Trostspendende, liebevoll wirkende Gesten wie das Berühren von Sapphos Hand, werfen Fragen nach Wertschätzung und Sichtbarkeit auf: Welche Kunstwerke werden von der öffentlichen Hand bewahrt oder erinnert? Welche historischen und gegenwärtigen Figuren sind (nicht) präsent in unserer täglichen Umgebung und wie prägt das die Wahrnehmung ihrer Bedeutung? Welche Arbeit wird im Kunst- und Kulturbereich fair entlohnt?
Cleaning Sappho knüpft an den Geist der Aktionen und Performances seit den späten 1960er-Jahren an. Mit einer queer-feministischen Haltung greift Morger Care-Arbeit als Kunstform auf und trägt zur aktuellen Debatte über Unter-Repräsentation von Frauen* im öffentlichen Raum bei. Eine Art Putzanleitung fordert zur kollektiven Auseinandersetzung mit vernachlässigten Werken auf. Im Hinblick auf die Statue ist besonders interessant, dass sowohl die Bildhauerin Maraini-Pandiani als auch die antike Philosophin Sappho gesellschaftliche Strukturen ihrer Zeit durchbrachen.

Leslie Ospelt

<b>Martina Morger, Cleaning Sappho, 2021</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.