Kunstwerk des Monats August

Thomas Struth, Paradise 30, Rio Madre de Dios, Peru 2005, Hilti Art Foundation

Thomas Struth

1954 in Geldern, Deutschland


Paradise 30, Rio Madre de Dios, Peru 2005


Chromogener Abzug (4/10)
222 × 280,7 cm
Hilti Art Foundation, Schaan


Von 1973 bis 1980 studierte Thomas Struth Malerei bei Gerhard Richter und Fotografie bei Bernd Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie. Mit dem Wechsel von Richter zu Becher (1976) entschied er sich bewusst für das fotografische Medium, in welchem er sich als präziser Beobachter zu erkennen gibt, der selbst bei grösster Nähe zum Objekt und höchster Faszination vor dessen Erscheinung mit distanziertem Auge schaut. Es ist diese Distanz, die seinen Fotografien in Verbindung mit der Einheit von Ort, Zeit und Gegenstand sowie mit der Authentizität der Darstellung einen hohen Wahrheitsgehalt verleiht. Wenngleich Struths Fotografien dokumentarischen Wert haben und in ihnen die Anerkennung des Oeuvres von Bernd und Hilla Becher sichtbar nachklingt, sind sie dennoch keine Dokumente, sondern autonome Werke der Kunst.

Im globalen Massstab richtet er den Blick gezielt auf Strassen, Plätze und Gebäude, auf Menschen, auf Sakralbauten und Museen samt ihren Besucher:innen oder auf Natur und Vegetation. Die 1999 begonnene Werkserie New Pictures from Paradise besteht aus insgesamt 36 grossformatigen Fotografien. Struth versteht diese Serie nicht als sachliche Veranschaulichung botanischer Eigenschaften oder ökologischer Prozesse des Urwaldes, auch nicht als mahnenden Hinweis auf den zunehmenden Verlust unberührter Natur. Sein Interesse ist vielmehr phänomenologischer Art und konzentriert sich auf die Wahrnehmung der sichtbaren Realität unter den Gegebenheiten eines Übermasses an visueller Information in Gestalt wildwuchsartig organisierter Naturdetails.
Das Bild Paradise 30 entstand am Rio Madre de Dios, einem Fluss in den Urwäldern von Peru und Bolivien. Es zeigt eine gänzlich überwucherte Vegetation, der Fokus ist jedoch nicht auf die vorderste Bildebene eingestellt, sondern auf den Mittelgrund, wodurch das Publikum regelrecht in die Pflanzenwelt hineingezogen wird. Konfrontiert mit ihrem verwirrenden Dickicht, das dem Auge letztlich keine Orientierung bietet, ist es ganz auf sich selbst zurückgeworfen und nimmt sich in physischer Isolation wahr.

Uwe Wieczorek

 

«Ich wollte Fotos machen, auf denen alles so komplex und detailliert ist, dass man sie ewig anschauen kann und nie alles sieht.»

Thomas Struth

Sean O'Hagan, Interview: Thomas Struth: photos so complex «you could look at them forever», www.theguardian.com, 2. Juli 2011.

<b>Thomas Struth, Paradise 30, Rio Madre de Dios, Peru 2005, Hilti Art Foundation</b>
Das Kunstmuseum Liechtenstein stellt jeden Monat ein Werk aus der eigenen Sammlung in den Mittelpunkt der Betrachtung. Auch werden regelmässig Werke aus der Sammlung der Hilti Art Foundation auf diese Weise vorgestellt.